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Heimhämodialyse

Früher war Heimhämodialyse bei erkrankten Kindern und Jugendlichen nichts ungewöhnliches. Seit der Entstehung der Dialysezentren für junge Patienten wurde sie, bis vor wenigen Wochen, in Deutschland nicht mehr praktiziert. Das Dialysezentrum des KfH an der Uni-Kinderklinik Heidelberg hat jetzt seit vielen Jahren erstmals wieder eine Mutter in Heimhämodialyse erfolgreich geschult. Warum für die Familie Drawitsch aus dem südhessischen Bensheim die Heimhämodialyse zu einer Option wurde, erläuterte der Vater in nachfolgendem Bericht anlässlich des 10. Symposions zur psychosozialen Betreuung nierenkranker Kinder und Jugendlicher, der im Juni in Berlin stattfand.

 "Papa", sagt Jakob, "die Dialyse ist gar nicht so groß wie ich gedacht habe."

Jakob ist sieben Jahre alt. Zum erstenmal durfte er mit Mama und seinem zehnjährigen Bruder Simon mit in die Kinderdialyse nach Heidelberg und dabei sein, als sein Bruder Jonas dialysiert wurde. Simon und Jakob sind eigentlich "alte Hasen" wenn es ums Thema Dialyse geht. Aber sie haben bisher nur die Bauchfelldialyse kennen gelernt. Manchmal, wenn das Legospielen gar so viel Spaß machte, durften sie im Kinderzimmer bleiben und den Mundschutz  anziehen wenn Mama oder Papa den Schlauch im Bauch des Bruders mit den dicken Beuteln zusammenschloss.

Was mit ihrem Bruder passiert, das interessiert die beiden. Und seit Anfang Februar dieses Jahres passiert einiges, was ihren und ihres Bruders Alltag völlig verändert hat: die Hämodialyse.

Montags, Mittwochs und Freitags sahen Simon und Jakob ihre Mama nur beim Abschiedskuss zur Schule am Morgen und abends für wenige Minuten. Dann kam sie müde und abgespannt von Heidelberg nach Hause. Obwohl unsere Familie nur etwa 45 Autominuten von der Klinik entfernt wohnt, erstreckte sich der Dialysetag von 12.30 Uhr bis 19.30 Uhr samt Hin- und Rückfahrt. Ein Dauerzustand konnte das für die ganze Familie nicht bleiben. Jakob geht in die erste, Jonas in die zweite und Simon in die vierte Klasse der kleinen Dorfgrundschule. Simon wird nächstes Schuljahr ins Gymnasium in die Stadt wechseln. Spätestens dann wird er am Nachmittag die Nähe der Mutter brauchen, um bei den neuen, schulischen Anforderungen nicht alleine zu sein.

Auch für Jonas bedeutete die Hämodialyse im Zentrum zunächst einmal viel Verzicht im Vergleich zu den Jahren der Bauchfelldialyse. Während seine Klassenkameraden nach dem Unterricht bis 13 Uhr täglich in die allseits beliebte Kinderbetreuung gehen konnten und für den Nachmittag Verabredungen trafen, musste Jonas schnurstracks nach der letzten Stunde nach hause eilen, wo die betäubende Emla Salbe auf ihn wartete, ehe es sofort samt Schulranzen ins Auto und in die Kinderdialyse ging.

Jonas Freundschaften bröckelten und brachen.

Auch auf sein geliebtes Fußballtraining am Mittwoch abend musste er verzichten, was weitere soziale Kontakte vereitelte und seiner motorischen Entwicklung schadete. Kurzum: Jonas und seine Mutter lebten zwei Leben zwischen Dialysestation und ihrem Zuhause.

Für Jonas, seine Brüder und seine Eltern gab es nur eine Option: Die Heimhämodialyse.

Sicher, man hätte auch eine Transplantation ins Auge fassen können, und Jonas Mutter war bereits fest entschlossen, ihre Niere zu spenden, hätte nicht die Vorgeschichte des Jungen zu äußerster Vorsicht gemahnt. Jonas erkrankte im Alter von drei Jahren an einem atypischen Hämolytisch-Uremischen-Syndrom. Nach einem Jahr vergeblichem Kampf gegen die tückische Erkrankung und schwerer Therapien wie einer Reihe von Plasmaphoresen begann die Dialysepflicht. Mutter und Vater wurden mit der CCPD vertraut gemacht, und die Familie war mutig. Neben Kuren in Binz auf Rügen waren Dank des PD-Night auch Sommerurlaube auf Fuerteventura, in Dänemark oder auf Sardinien möglich. Die Normalität anzustreben und zu leben war das höchste Ziel der fünfköpfigen Familie.

Entspannung hatten alle schließlich auch immer wieder nötig, denn die weitere Krankheitsgeschichte forderte von allen schier unmenschliche Kraft. Jonas wurde zwischen 1998 und 1999 innerhalb eines knappen Jahres zweimal erfolglos transplantiert. Seine Gerinnungsproblematik erwies sich als ein äußerst instabiler Faktor bei der medizinischen Behandlung. Die erste Niere verlor er innerhalb von wenigen Tagen durch schwere Trombosen. Die zweite Niere wurde nach einem ersten, hoffnungsvollen Transplantationsverlauf durch erneut einsetzende Hämolysen und schließlich durch eine vaskuläre Abstoßung verloren.

Die vielen Operationen hatten am  Bauchfell Vernarbungen verursacht und die Teilnahme an einer Dialysat-Studie im Jahr 2000 gab der Dialyse über die körpereigene Membran schließlich den Rest. Jonas und seine Eltern standen zum Wechsel ins Jahr 2001 auch vor dem Wechsel zur Hämodialyse.

Jonas und seine Eltern hatten Angst. Angst vor Blutdruckkrisen. Angst vor den großen Nadeln, die Jonas nun dauernd würde ertragen müssen.

Kann Jonas keinen Hickman®-Katheter bekommen, fragte seine Mutter, übrigens eine ausgebildete Kinderkrankenschwester. Professor Prittinger aus Neckargemünd riet von dieser Option ab. Dahinter stehe eine kurzsichtige Denkweise, weil der Hickman® langfristig ein großes Risiko darstelle und für ihn ein Gefäß geopfert werde, was dem Patienten im späteren Leben bei eine Fistelanlage Probleme bereiten könne.

Professor Mehls, Dr. Tönshof und Dr. Schäfer rieten zur Hämodialyse mit Fistel. Es wurde besonders betont, dass Jonas nach zwei gescheiterten Transplantationsversuchen und der gescheiterten Bauchfelldialyse unbedingt eine positive Dialyseerfahrung brauche, um wieder eine Perspektive und persönliche Sicherheit zu haben. So wurde uns allen klar, dass die Hämodialyse bei Jonas nicht die Notlösung bis zur Transplantation sondern eine medizinische Option darstellen solle, ehe andere Faktoren für einen dritten Transplantationsversuch sprechen werden.

Im Januar erhielt Jonas seine erste Fistelanlage, nicht ohne die für ihn typischen Gerinnungsprobleme. Seine Eltern äußerten ihren deutlichen Wunsch, die Hämodialyse zu Hause durchführen zu können, und stießen im Heidelberger Dialyseteam zunächst einmal auf große Skepsis.

Jonas Heimhämodialyse war vor zwei Jahrzehnten noch die Regel gewesen. Heute aber, nachdem Kinderdialysen wie in Heidelberg  die Versorgung mit Fachpersonal samt psychosozialer Begleitung hervorragend garantieren,  erregte unser Wunsch Aufsehen. Doch diese Reaktion war verständlich.

Das Team hatte inzwischen keinerlei Erfahrung mehr mit der Heimhämodiylase.

Es gab keine methodischen Konzepte für die Vermittlung der Dialysekenntnisse an Eltern.

Ganz allgemein fürchteten die Fachkräfte um die Sicherheit von Jonas.

Und auch die Installierung der Hämodialyse im häuslichen Bereich war keine Routineangelegenheit mehr.

Es bedurfte einiger erläuternder und aufklärender Gespräche, um das ganze Dialyseteam von unserem Ansinnen zu überzeugen. Schließlich aber erkannte es die neue Herausforderung, die in ihm steckte und leitete alles in die Wege, zumal meine Frau versicherte, erst Jonas zu hause zu dialysieren wenn sie sich ihres Wissens und ihrer Sache absolut sicher war.

Dialyseschwester Ivonne, ohnehin für Jonas zuständig, erlernte bei einem Lehrgang in Köln die didaktische Vermittlung der Heimhämodialyse. Zwischen dem 31. Januar und dem 18. Mai schulte sie meine Frau Dagmar dreimal pro Woche und ließ sie zum Schluss selbstständig die Dialyse an Jonas vornehmen.

Zu Hause ließen die räumlichen Gegebenheiten die Hämodialyse gut zu. Ein Wasseranschluss für die Osmose lag bereits im Nachbarzimmer, so dass ein Loch in der Wand genügte, um das große Kinderzimmer von Jonas und Jakob zu einem Kinder-Dialyse-Zimmer umzugestalten. Zu guter Letzt erklärte sich auch Dr. Sandig, ein Bensheimer Kinderazt aus unserem Ort  bereit, in besonderen Fällen schnelle Hilfe zu leisten. 

Seit der ersten Heimhämodialyse am 18. Mai ist ein Monat vergangen. Jonas und seine Mutter sind nach kleineren Anlaufschwierigkeiten zu einem guten Dialyseteam geworden. Die Dialyse erfolgt sechsmal pro Woche, was die jeweilige Dialysedauer verringert und den Zustand des Patienten deutlich verbessert. Jonas ist leistungsfähiger geworden und isst endlich wieder, nachdem er jahrelang an der Bauchfelldialyse unter völliger Apetitlosigkeit gelitten hatte und ausschließlich über Sonde ernährt worden war. 

Manchmal, wenn Papa abends lange arbeiten muss, löst  Simon die Stauung am Fistelarm wenn Mama punktiert. Jakob schaut bisweilen zu, drückt Jonas die Daumen und freut sich mit ihm, weil  Mama so gut wie immer auf Anhieb trifft. Wenn die Maschine läuft und sich die Spannung des Punktierens bei allen löst, kehrt eine ganz normale Abendatmosphäre ein. Alle drei Jungs hören zur Guten Nacht die Geschichten von Tom Saywer und Huckleberry Finn.                                                        

Wenn am Tage dialysiert wird, isst Mama am Bett mit Jonas zu Mittag. Besonders zum Ende der Behandlung, wenn die Punktionsstellen 20 Minuten lang abgedrückt werden müssen, liegen Jonas und seine Mama mitunter ganz inniglich beisammen und spüren trotz aller Piekserei, dass sie ein festes, unsichtbares Band verbindet.

Seit einem Monat ist die Familie wieder beisammen. Bei den Hausaufgaben ist Mama zur Stelle. Papa beeilt sich am Abend, um rechtzeitig zum Punktieren und zur Gutenachtgeschichte zu Hause zu sein. Jonas geht wieder regelmäßig ins Training. Und jüngst, beim ersten Sieg der F-Jugend der SG Gronau, hat er den entscheidenden Pass gespielt.                                           


Bericht von Herrn Jürgen Drawitsch anlässlich des 10. Symposions zur psychosozialen Betreuung nierenkranker Kinder und Jugendlicher 2001 in Berlin. Wenn Sie Fragen zu diesem Bericht haben, können Sie über das Email-Icon mit mir Kontakt aufnehmen.

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