Diffussion als grundlegendes Prinzip
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Historische Entwicklung der Nierenerssatzverfahren
Diffussion als grundlegendes Prinzip
Die Nierenersatztherapie, heute eine fast alltägliche, wenn auch noch relativ junge Behandlungsform, hat ihren Ursprung in einer Entdeckung, die in einem Zeitraum von 64 Jahren gleich dreimal gemacht wurde. Es sind drei Forscher, die für sich in Anspruch nehmen, die "Hydrodiffusion durch Membranen" als erste entdeckt und beschrieben zu haben. Diffusion bei der Dialyse bedeutet den selektiven Stofftransport gelöster Substanzen durch eine semipermeable Membran. Bei der Erforschung physikalischer und physiologischer Vorgänge wurde, ganz nebenbei, dieses Phänomen entdeckt.
Antoine Nollet 1700-1770
Die älteste Beobachtung findet sich bei dem französischen Diaconus und Physiker Jean Antoine Nollet (1700-1770) im Jahre 1748. Das Phänomen der Diffusion beobachtete Nollet erstmalig, als er sich mit Untersuchungen über das "Sieden von Flüssigkeiten" befaßte. Er kam zu dem Schluß, daß Weingeist und Wasser, getrennt durch eine Membran aus Harnblase, um den Durchtritt durch die Membran "konkurrieren" und die Harnblase bezogen auf das Wasser die größere Permeabilität besitzt. Nollets Entdeckung blieb fast unbeachtet und geriet schnell in Vergessenheit.
Georg Friedrich Parrot (1767-1852 )
So kam es, daß die Hydrodiffusion 54 Jahre später ein zweites Mal entdeckt wurde, durch Georg Friedrich Parrot (1767-1852 ). Parrot befaßte sich mit der Erforschung der "Sekretionen des lebenden Organismus". Im Jahre 1802 stellte Parrot seine Diffusionsversuche zum erstenmal vor. Obwohl die Vermutung nahe liegt, daß er die Versuche von Nollet kannte, wehrte er sich gegen den Vorwurf, seine Versuche seien eine Wiederholung der Nollet'schen Experimente. Die Diffusion tropfbarer Flüssigkeiten, durch Parrot nun schon zum zweitenmal beschrieben, blieb zwar nicht ohne Resonanz, fand aber immer noch keine große wissenschaftliche Beachtung.
Nicolaus Wolfgang Fischer 1782-1850
1812, 10 Jahre nach G. F. Parrot, glaubte ein dritter Forscher, die Hydrodiffusion durch organische Scheidewände als Erster entdeckt zu haben. Nicolaus Wolfgang Fischer (1782-1850 ), ein deutscher Arzt und Chemiker, wurde im Verlauf seiner Untersuchungen über "galvanische Ketten" schließlich auf die Membrandiffusion aufmerksam. Während Nollet nur von einer "Passage" und Parrot von einem wichtigen "Sekretionsphänomen" gesprochen hatte, erkannte Fischer als Erster den Einfluß, den die Beschaffenheit der Membran, die chemische Affinität und die Konzentration der Lösung auf die Hydrodiffusion hatte. Doch auch die dritte Entdeckung der Hydrodiffusion führte nicht dazu, dieses Phänomen zum Gemeingut der Wissenschaft zu machen.
René-Joachim-Henri Dutrochet 1776-1847
Dieses scheinbare Desinteresse an dem bisher unbekannten selbständigen Naturprinzip
verlor sich erst, als ein weiterer Mediziner, René-Joachim-Henri Dutrochet (1776-1847),
sich mit dieser Thematik befaßte.
Er war ein Forscher, dessen größtes Interesse der
Pflanzenphysiologie galt, der aber auch tierphysiologische Fragen bearbeitete. Dutrochet
war einer der Ersten, der den zellulären Aufbau des Lebens betonte. Anfänglich ohne
Kenntnis der Versuche der vor ihm genannten Autoren, machte Dutrochet umfassende
Experimente auf dem Gebiet der Hydrodiffusion.
In einer Vorlesung in der Pariser Akademie der Wissenschaften am 30.10.1826 gab er die
erste Darstellung seiner "endosmotischen" Beobachtung. Dabei gab er
diesem, inzwischen mehrfach entdecktem Phänomen, einen Namen - was Nollet, Parrot und
Fischer vor ihm versäumt hatten: Er prägte die Begriffe "Endosmose"
(Flüssigkeitseintritt) und "Exosmose" (Flüssigkeitsaustritt).
Durch die Arbeiten von Dutrochet sollte die Aufmerksamkeit von Physiologen und Physikern
nun für Jahrzehnte gefesselt bleiben. Unter dem Einfluß seiner Versuche wendete sich u.
a. auch Thomas Graham osmotischen Untersuchungen zu, welche schließlich zur Entdeckung
der Dialyse führten.